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Coconut Hero

In der schwarzen Indie-Komödie „Coconut Hero” von Florian Cossen geht es um die Sinnlosigkeit, sein Leben bzw. seinen Tod planen zu wollen. Der 16-jährige Mike Tyson (Alex Ozerov) lebt mit seiner Mutter Cynthia (Krista Bridges) in Faintville, einer in der Zeit stehengebliebenen Holzfällerstadt tief in den kanadischen Wäldern. Er ist seinem Vater (Sebastian Schipper, der Regisseur von „Victoria”) noch nie begegnet, hat keine Freunde und sein einziger Traum ist es im Grunde, von der Welt zu verschwinden. Bis er eines Tages der Seelenverwandten Miranda (Bea Santos) begegnet, das erste Wesen, das ihn zu verstehen scheint.

Alex Ozerov und Bea Santos in "Coconut Hero" © Majestic Filmverleih
Alex Ozerov und Bea Santos in „Coconut Hero” © Majestic Filmverleih

In der Vorstellung von Regisseur Florian Cossen und Drehbuchautorin Elena von Saucken musste die Geschichte „in the middle of nowhere“ spielen, weshalb der Schauplatz nicht in Deutschland angesiedelt wurde. Es sollte ein Ort sein, vergessen von der Welt, umgeben von abertausenden Hektar Wald, wie man sie in den nördlichen Regionen Skandinaviens oder Kanadas findet. Denn die Idee der Geschichte eines Jungen, der mit seiner Umwelt, den Erwachsenen, insbesondere seiner Mutter zu kämpfen hat und als Lösung der Probleme in seinem Leben nur das Ende desselbigen sieht, hat auch viel mit dem Gefühl von Isoliertheit zu tun.

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„Während der Entwicklung unseres Buches wurde uns mehrfach gesagt, dreht das doch im Schwarzwald! Doch diese Orte, die wir gesucht und gefunden haben, unterscheiden sich grundlegend von jedem noch so kleinen Ort in Deutschland, denn sie haben eigentlich keine Geschichte. Keine alte Kirche, die das Zentrum bildet und an jahrhundertealte Vorfahren erinnert, so wie wir das hier gewohnt sind. Der kanadische Norden ist von Siedlungen und Kleinstädten geprägt, die so wirken, als wären sie nur auf Zeit gebaut. Für die Exploration einer Mine hochgezogen, werden sie womöglich wieder verlassen, wenn das Vorkommen ausgeschöpft ist. Man lebt dort nur so lange, wie es wirtschaftlich sinnvoll ist, dort zu wohnen.“ erklärt Cossen. „Die Infrastruktur ist auf das nötigste beschränkt. Wir haben Leute getroffen, die bis zum nächsten Friseur 300 km fahren, das nächste Geburtskrankenhaus ist ebenso weit weg.“

Diese Orte in den weiten Waldlandschaften im Norden Ontarios standen Pate für die fiktive Kleinstadt Faintville, der Ort der Handlung für „Coconut Hero”. Von Saucken fügt an: „Es gibt natürlich auch Leute, die diese Orte lieb gewinnen, so wie Mikes Mutter Cynthia, die dort beheimatet ist oder auch seine Freundin Miranda, die aus freien Stücken nach Faintville gekommen ist, denn es herrscht hier ein besonderes Gefühl der Verbundenheit. Die für einen Jugendliche geradezu unerträgliche Unerreichbarkeit dieser Orte, deren Isoliertheit auch das Internet nicht ausgleichen kann, ist für manche Leute ja durchaus heilsam.“

Ontario
Ontario

Und dann war da auch noch der Ort der Handlung: Der kleine Ort Geraldton mit seinen gut 2.000 Einwohnern, den von Saucken und Cossen im Sommer 2012 auf einer Kanada-Erkundungs-Tour ca. 2.000 (!) km nördlich von Toronto entdeckt hatten, sollte die Kulisse für die Außenaufnahmen geben. Doch so weit entfernt von jeglicher „normaler“ Infrastruktur einen Film zu produzieren erfordert gute Planung und bleibt dennoch immer ein Risiko, wenn etwas von der Technik kaputt geht, das man dann nicht ersetzen kann oder sich jemand bei der Arbeit verletzt.

Regissseur Florian Cossen und Drehbuchautorin Elena von Saucken © Majestic Filmverleih
Regissseur Florian Cossen und Drehbuchautorin Elena von Saucken © Majestic Filmverleih

Ganz zu schweigen von der logistischen Unmöglichkeit, ein ganzes Drehteam in einem Ort ohne Hotel und Restaurants unterzubringen und dann auch noch über Wochen bei Laune zu halten. Teuer ist es sowieso. Kurz: Geraldton als Drehort zu wählen, war für die beiden Produzenten eine schlechte Nachricht. Aber Laube und Maubach inklusive des kanadischen Co-Produzenten verstanden bald, warum diese Geschichte genau einen solchen Ort forderte und machten sich pragmatisch an die Lösung der organisatorischen und auch finanziellen Herausforderungen, die dieses Projekt mit sich brachte.

Am Ende reduzierte sich die Drehzeit in Geraldton auf eine Woche. Hier entstanden die Straßenszenen, wie die Fahrrad-Choreographie im Musical-Stil, oder auch die Szenen mit Mike und Miranda in der Wildnis. Für weitere fünf Wochen wählte die Produktion dann einen Ort, der wenigstens nur noch acht Autostunden nördlich von Toronto, also fast um die Ecke liegt: Sault St. Marie. Ein Ort, der in Kanada schon häufiger als Drehort genutzt wurde und allein deswegen schon eine gewisse produktionstechnische Infrastruktur bot, eine Mini-Filmstruktur, wo kurz vor „Coconut Hero” auch Atom Egoyan seinen neuen Film „Remember” mit Christopher Plummer, Bruno Ganz und Martin Landau gedreht hat.

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Die Herausforderungen eines Drehs im Norden Kanada, aber auch die große Hilfsbereitschaft, die man dort vorfindet, trat durch einen Vorfall während der Dreharbeiten im Frühherbst 2014 besonders zutage: Am Morgen des wichtigsten Außendrehs mit der Fahrrad- und Tanzparade wurde das Team von einer bösen Überraschung geweckt. Über Nacht gab es einen Wintereinbruch, von heute auf morgen lagen 15 cm Schnee. Am 15.September! „Während das Filmteam relativ panisch war, sahen die Bewohner in dem kleinen Ort das Ganze sehr lässig. Dort ist es aber auch monatelang minus 20 Grad. Und so kam die Freiwillige Feuerwehr und half uns, das Set schneefrei zu bekommen.“, erzählt Florian Cossen. „Sie waren einfach nur hilfsbereit und wussten wahrscheinlich gar nicht, dass sie den Produzenten damit Tausende Dollar, die so ein ausgefallener Drehtag kostet, sparten.“

 

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