Gleich bin ich da! Direkt vor mir steht eine riesige Reiterstatue, die majestätisch Richtung Rathaus blickt. Sie ist George Washington gewidmet, dem ersten Präsidenten der Vereinigten Staaten und einem der Gründerväter der USA. Einen Moment lang betrachte ich das Denkmal, doch mein eigentliches Ziel ist die Treppe, die im Hintergrund zu sehen ist.
72 Stufen führt sie hinauf zum Philadelphia Museum of Modern Art und noch bevor ich die Treppe erreicht habe, habe ich auch schon Rocky-Musik im Ohr, eine Endlosschleife aus „Gonna fly now“ und „Flyin‘ high now“.
Hier beginnt sie, meine Tour durch Philadelphia, auf den Spuren berühmter Filmsöhne der Stadt:
Von der Rocky-Treppe bis zu Adrians Grab
Der wohl bekannteste Sohn der Stadt, auch wenn er niemals lebte, wird hier ebenfalls mit einer Statue geehrt. Der Bronze-Rocky steht zwar etwas abseits der Museumstreppe und ist wesentlich kleiner als Washington zu Pferd, doch umso länger ist die Schlange der Menschen davor, die sich mit dem Italian Stallion fotografieren lassen möchten.
Die Statue, die im Film „Rocky 3“ zum Einsatz kam und ein Geschenk von Sylvester Stallone an Philadelphia ist, hatte einst einen prominenteren Platz, ganz oben auf der Treppe, aber das war ein paar Leuten des Museums dann doch etwas zu viel Anerkennung für eine fiktive Figur.
Wer heute die Stufen hinaufjoggt und, um es Rocky gleichzutun, oben angekommen seine Fäuste triumphierend in die Luft hebt, findet jedoch immerhin einen in Beton gegossenen Fußabdruck als Hinweis auf die berühmte Filmszene. Im Minutentakt stehen an dieser Stelle glückliche Menschen in Siegerpose.
Und auch ich kann mich dem fröhlichen Treiben nicht entziehen, renne durch die Mittagshitze die Treppe hinauf und recke die Arme gen Himmel.
Weitere legendäre Rocky-Drehorte wie den Italian Market, das Boxstudio Mighty Mick’s Gym und das Apartment von Rocky Balboa besuche ich zusammen mit Mike Kunda auf seiner Yo Philly! Rocky Film Tour.
Gerade am letztgenannten Drehort bin ich froh, nicht alleine zu sein, denn als Underdog-Schauplatz für South Philadelphia diente in Wahrheit das Problemviertel Kensington.
Das war schon zu Zeiten des Drehs eine raue Gegend, und ist aufgrund der Drogenproblematik auch heute kein guter Ort für einen längeren Aufenthalt. Die derzeitigen Bewohner der East Tusculum Street 1818 stören sich jedoch nicht an den Rocky-Fans, die hier tagsüber für einen kurzen Foto-Stopp herkommen. Das Viertel befindet sich stellenweise, vor allem nahe Fishtown, in positivem Wandel. Es bleibt zu hoffen, dass dies auch bald für die übrigen Bereiche gilt.
Mike ist der perfekte Rocky-Guide! Er weiß nicht nur jede Menge über die Drehorte und die Filme, sondern kennt Sylvester Stallone persönlich und damit auch Anekdoten, die man nicht schon vielfach gehört hat. Zum Beispiel, dass Stallone eine weitere Rocky-Statue bei sich zuhause vor dem Küchenfenster stehen hat. Der Schauspieler selbst war es dann auch, der Mike auf die Idee brachte, aufgrund seiner Ähnlichkeit mit Rocky solch eine Tour anzubieten.
Nach einer schleppenden Anfangszeit vor acht Jahren, fährt er nun etwa 50 Touren pro Jahr. Immer für kleine, private Gruppen mit maximal sieben Leuten, um die Tour jeweils den Wünschen der Gäste anpassen zu können.
Ich wünsche mir zum Schluss der Tour noch einen Halt beim Laurel Hill Cemetery. Denn ich habe gehört, dass sich dort noch immer das Filmgrab von Adrian befindet, was ich mir kaum vorstellen kann.
Doch tatsächlich: Gleich auf der linken Seite nach dem Haupteingang ist der Grabstein mit Inschrift Adrian Balboa zu sehen und daneben auch ein kleinerer, auf dem Paulie steht. Mike erklärt mir, dass sich die Filmgräber sogar lange an ihrem ursprünglichen Ort mitten auf dem Friedhof befanden, aufgrund eines umgestürzten Baumes jedoch versetzt werden mussten.
In Deutschland würde das vermutlich als makaber gelten, in den USA jedoch, wo der Friedhof auch mit dem Auto befahren werden darf, geht man wohl insgesamt lockerer damit um. Übrigens diente der Laurel Hill Cemetery auch schon für andere Filme als Drehort.
So trifft sich Sam Witwicky (Shia LaBeouf) hier mit Optimus Prime, dem Anführer der Autobots, in Michael Bays „Transformers – Die Rache“. Überhaupt hat Philadelphia natürlich bei weitem mehr als „Rocky“ und den Nachfolger „Creed“ im Filmrepertoire:
Bruce Willis und Brad Pitt im Gefängnis
Im Film „12 Monkeys“ soll Bruce Willis die Menschheit vor einer Katastrophe bewahren und landet als „Freiwilliger“ James Cole gleich zu Beginn seiner Mission in einer psychiatrischen Klinik, in der er auf den eindeutig verrückten Jeffrey Goines (Brad Pitt, kaum wiederzuerkennen!) trifft.
Diese Psychiatrie ist in Wahrheit das Eastern State Penitentiary in Philadelphia, eine ehemalige Strafanstalt, die von 1829 bis 1971 als solche genutzt wurde und heute besichtigt werden kann. Ein wahrlich unheimlicher, aber auch unheimlich interessanter Ort!
Der genaue Drehort des Filmes befindet sich an der Stelle, an der die Zellblöcke zwei, zehn und elf zusammenlaufen. Dort hängt sogar ein Schild, dass auf die hier gedrehten Filme hinweist.
Neben „12 Monkeys“ ist das zum Beispiel „Für das Leben eines Freundes“ mit Joaquín Phoenix und Vince Vaughn, erneut „Transformers 2“ und selbst Tina Turner stand hier schon 1985 für das Musikvideo zum Mad-Max-Soundtrack „One of the Living“ vor der Kamera.
Zu den berühmten realen Insassen des Gefängnisses, das für viele weitere Strafanstalten des Landes als Modell diente, gehörte auch der berüchtigte Al Capone, der den Gerüchten nach eine relativ luxuriöse Zell bewohnte.
Und noch ein Tipp für Filmfans: Unbedingt den Audioguide nehmen, denn damit führt einen die Stimme von Steve Buscemi durch die geschichtsträchtigen Gemäuer! Wer es besonders gruselig mag, sollte sich Tickets für die „Terror behind the walls“-Nächte rund um Halloween sichern.
Philly als mystische Filmkulisse
„Ich sehe tote Menschen!“ Dieses berühmte Filmzitat bekam ebenfalls Bruce Willis im Film „The Sixth Sense“ zu hören. Der Film mit dem Gänsehaut erzeugenden, überraschenden Twist am Ende verhalf Regisseur M. Night Shyamalan zum internationalen Durchbruch.
Zu den „The Sixth Sense“-Drehorten gehören die Boathouse Row im Fairmount Park, verschiedene Ecken im Stadtviertel Fairmount, das Parkway Middle College sowie die St Augustine Church.
Shyamalan wuchs in Philadelphia auf und inszenierte viele weitere Filme in seiner Heimatstadt und Umgebung, darunter „Unbreakable“, „The Happening“, „The Village“ und „Glass“.
Auch heute noch lebt er mit seiner Familie in der Nähe der Stadt und lässt sich von abgelegenen Orten zu mystischen Geschichten inspirieren. Die Distanz zu Hollywood hält seiner Meinung nach seine künstlerische Perspektive frisch. Zusammen mit seiner Frau setzt er sich mit der 2001 gegründeten MNS Foundation außerdem für mehr soziale Gerechtigkeit in Philadelphia ein.
Will Smith und ein berühmter Sportplatz
„In West Philadelphia born and raised…“ Dank der Serie „Der Prinz von Bel-Air“ weiß wohl jeder, dass auch Will Smith zu den bekannten Filmsöhnen Phillys gehört.
Die Serie wurde zwar vor allem in Los Angeles gedreht, doch im Intro erscheinen auch Aufnahmen aus Philly und so mache ich mich auf die Suche nach dem Basketballplatz, auf dem Will „got in one little fight“, worauf ihn seine Mutter schließlich besorgt zu Tante und Onkel nach Bel-Air schickt.
Bei dem Platz handelt es sich um den Roberto Clemente Playground, der sich in Wahrheit im Norden Philadelphias, genauer in der 1800 Wallace Street, befindet. Das Adler-Graffiti, das auch im Intro zu sehen ist, ist nach etwa 25 Jahren immer noch da und bestätigt mir, dass ich hier richtig bin.
In West Philadelphia, wo Will Smith seine Kindheit und Jugend verbracht hat, hat man dem Filmstar ein Denkmal mit einem überlebensgroßen Mural gesetzt. Der Künstler Richard Wilson hat ihn dort, in der 4545 West Girard Ave, in Obama-Pose und mit Jordans auf einem Schulgebäude verewigt.
Sicher dient Smith hier vielen Schülern als Identifikationsfigur und gibt ihnen die Motivation, was aus ihrem Leben zu machen. Interessant ist das Video zur Entstehung des Murals, mit Feedback von Will Smith und seiner Mutter. Weitere Murals der Stadt kann man auf den Touren des Mural Arts Programs entdecken.
Will Smith scheint ohnehin nach wie vor sehr verbunden mit Philadelphia zu sein, denn auf seinem Instagram-Profil beschreibt der Weltstar sich als „Same kid from West Philly“. Und wie verrückt: Er teilt sogar meine kleine „Fresh Prince in Philly“-Hommage mit seinen 36 Millionen Followern!!
Bradley Cooper ohne Limit
Auch ein anderer berühmter Hollywood Star hat seine Wurzeln in Philadelphia und stand hier auch schon wiederholt vor der Kamera: Bradley Cooper.
Der Höhepunkt des Actionthrillers „Ohne Limit“ mit Cooper und Robert DeNiro in den Hauptrollen, wurde im Herzen von Philadelphias Business District, Center City West, gedreht. Auch wenn es im Film den Anschein hat, dass die packende Szene in New York spielt, war in Wahrheit die Ecke 21st und Market Street Drehort des Finales.
Ebenfalls in Philadelphia ist die Story des mehrfach Oscar nominierten Films „Silver Linings“ angesiedelt, mit Bradley Cooper und Jennifer Lawrence als Protagonisten. Lawrence wurde für ihre Rolle sogar mit dem Oscar ausgezeichnet. Die Geschichte spielt in den westlich gelegenen Vororten Ridley Park und Upper Darby.
Leicht wiedererkennbare Drehorte sind der Llanerch Diner, das Lincoln Financial Field Stadium der Philadelphia Eagles und das Lansdowne Theater, vor dem sich die beiden im Film heftig streiten.
Während man im Llanerch Diner am gleichen Tisch sitzen kann, wie Pat und Tiffany bei Müsli und Tee im Film, ist das Lansdowne Theater zurzeit geschlossen, soll jedoch mit Hilfe von Spendengeldern restauriert und als Konzerthalle wiedereröffnet werden. Das Theater stammt noch aus den 20ern.
Der Veranstaltungsort des Tanzwettbewerbs in „Silver Linings“ ist in Wahrheit der Ballsaal des Benjamin Franklin House, das zum Zeitpunkt der Dreharbeiten noch ein Hotel war, mittlerweile jedoch die privaten Franklin Suites beherbergt.
Filmreife Stärkung in Philadelphia
Wer nicht gerade Vegetarier ist, wird wohl mindestens einmal in der Stadt ein Philly Cheesesteak essen wollen. Es besteht hauptsächlich aus dünn geschnittenem Steakfleisch, das mit Käse überbacken in einem Brötchen serviert wird.
Die besten Cheesesteaks gibt es bei Geno’s Steaks oder auch Pat’s King of Steaks am Ende des Italian Market, wo schon Rocky mit Geldhai Gezzo essen war. Gleich an der Ausgabe ist dort sogar eine Rocky-Erinnerungstafel im Boden eingelassen.
Und noch ein kulinarisches und kulturelles Drehort-Highlight: Das schon seit 1918 in Philadelphia ansässige Victor Café dürfte Fans der Rocky-Reihe aus Teil 6 als „Adrian‘s“ bekannt sein, das Restaurant, das Rocky nach seiner verstorbenen Frau benannte.
Das Essen dort ist einfach traumhaft und zwischen den Gängen wird man von den Kellnern mit Operngesang unterhalten. Im oberen Stock habe ich einige Erinnerungen an die Dreharbeiten von Rocky und Creed entdeckt.
Geschichte trifft Fiktion
Historische Fakten spannend verpackt liefert der Abenteuerfilm „Das Vermächtnis der Tempelritter“ mit Nicolas Cage als „Schatzjäger“ Benjamin Gates, der sich auf die Suche nach dem Schatz der Tempelritter macht.
Seine Nachforschungen führen Cages Charakter auf den Spuren der Amerikanischen Revolution unter anderem in die Independence Hall und zur Liberty Bell, die zwei wichtigsten Sehenswürdigkeiten Philadelphias. Gedreht wurde allerdings in einem exakten Nachbau des geschichtsträchtigen Gebäudes in Kalifornien.
Für die Independence Hall kann man sich im Visitor Center ein kostenloses Ticket für eine Führung zu einem bestimmten Zeitfenster sichern. Es lohnt sich frühzeitig dort zu sein, da fast jeder Tourist in Philly das Weltkulturerbe-Gebäude auf dem Plan hat.
Wer die Liberty Bell aus der Nähe sehen möchte, kommt ums Schlange stehen kaum herum. Wem jedoch ein kurzer Blick darauf genügt, kann diesen auf der östlichen Seite des Gebäudes problemlos durch ein Fenster erhaschen.
Ein weiterer Drehort aus „Das Vermächtnis der Tempelritter“ ist der Reading Terminal Market, der größte und älteste öffentliche Markt der USA. An den Essensständen bilden sich teils lange Schlangen und das nicht ohne Grund. Hier gibt es eine riesige Vielfalt an Leckereien. Es lohnt sich jedoch auch, einfach nur dem bunten Treiben zuzuschauen.
Weitere Drehorte und Filme à la Philly
In der Kult-Komödie „Die Glücksritter“ mit Dan Akroyd und Eddie Murphy sind die Hauptdarsteller unter anderem am Rittenhouse Square und an den Eingangsstufen des Curtis Institute of Music zu sehen.
Zu den bekanntesten Philly-Filmen gehört natürlich auch der nach der Stadt benannte, Oscar prämierte Film mit Tom Hanks und Denzel Washington aus dem Jahr 1993. Zu den Locations zählen hier die City Hall und die Furness Library am Campus der University of Philadelphia.
Und noch ein Klassiker: „Der Einzige Zeuge“ (1985) mit Harrison Ford und Kelly McGillis, in dem Ford als Polizist auf der Suche nach einem Mörder in die Kultur der Amischen eintaucht. Eine der Schlüsselszenen des Films spielt in Philadelphias 30th Street Station.
Die Liste der Drehorte in Philadelphia wird natürlich immer länger und auch während meines Besuches wird in der City of Brotherly Love schon wieder fleißig gefilmt:
Jason Segel („How I met you mother“) dreht hier gerade eine neue AMC-Serie und während Idris Elba immer noch als Bond-Nachfolger von Daniel Craig gehandelt wird, steht er aktuell für den Kinofilm „Concrete Cowboys“ in Philadelphia vor der Kamera.
Touren:
The Yo Philly! Rocky Film Tour
Mural Arts Program
Tour durch das Eastern State Penitentiary
Rocky Run
Ausblick vom One Liberty Observation Deck
Hop-On/Hop-Off-Bustour
Philly Cheesesteak-Tour mit dem Segway
Restaurants:
Victor Café (Reservierung empfohlen)
Pat’s King of Steaks
Hotel:
Die besten Philadelphia-Filme:
Rocky – Complete Saga
Creed
Transformers – Die Rache [dt./OV]
12 Monkeys
The Sixth Sense
Glass
Silver Linings
Das Vermächtnis der Tempelritter
Philadelphia
Der Einzige Zeuge
Offenlegung: Meine Recherchereise wurde teilweise von Discover Philadelphia unterstützt.