Verlassene Gebäude, oft auch Lost Places genannt, sind für Filmemacher ein glücklicher Fund, denn sie spiegeln authentisch die Architektur vergangener Zeiten wieder und ersparen der Produktion oft kostspielige Filmkulissen, ohne sie künstlerisch einzuschränken. Bei den Dreharbeiten gibt es keinen Termindruck des Eigentümers, denn niemand möchte dort in seine Wohnung zurück und kein Geschäft möchte dort schnellstmöglich wieder öffnen.
Einer der bekanntesten verlassenen Orte Europas liegt südwestlich von Berlin, direkt an der A9: die Beelitzer Heilstätten. Seit Jahren sind sie ein Paradies für Fotografen und Künstler aller Art, welche für das leerstehende Sanatorium in die Spargelstadt Beelitz reisen.
Das große Eingangstor der ehemaligen Klinik ist schon ziemlich verrostet. Doch das darf es auch sein, denn es steht bereits seit 1890 hier und hat jede Etappe der Krankenhausgeschichte miterlebt: Von der Eröffnung als staatliche Tuberkulose-Heilstätte über die Nutzung als Lazarett für verwundete Soldaten im ersten und zweiten Weltkrieg bis zur Besatzung durch das russische Militär 1945.
Mit dem Fall der Mauer 1990 verließen die Truppen das Areal, welches seitdem verwittert. Doch der optischen Vielfalt des Geländes ist man sich auch im etwa 30 Minuten entfernten Studio Babelsberg bewusst und so fand man hier die passenden Drehorte für zahlreiche Spielfilme:
Die ersten drei filmischen Auftritte der Beelitz-Heilstätten gab es 1996 in Detlev Bucks Film „Männerpension“ mit Til Schweiger, in dem die Heilstätten eine Senioren-Residenz verkörpern, 1998 in Jo Baiers TV-Drama „Der Laden“, für den das Sanatorium in die Rolle eines russischen Kriegsgefangenenlagers schlüpft, sowie 1999 im ZDF-Fernsehfilm „Racheengel – Die Stimme aus dem Dunkeln“ mit Götz George in der Hauptrolle als Oberarzt.
2001 wehte dann zum ersten Mal ein Hauch von Hollywood durch die Ruine. Roman Polanski nutzte die alte Chirurgie und das Verwaltungsgebäude für seinen Film „Der Pianist“. Die verschmutzten Flure, geplünderten Räume und zerbrochenen Fenster spiegelten Warschau im zweiten Weltkrieg perfekt wider.
Im Frühjahr 2009 entdeckten Tom Cruise & Bryan Singer das ehemalige Badehaus für sich und ließen die gesamte obere Etage renovieren bzw. zum Lazarett umgestalten. Später wurde die Eröffnungssequenz des Films „Operation Walküre“ hier gedreht, in der Nina von Stauffenberg (Carice van Houten) ihren verwundeten Mann besucht. Bill Nighy („Tatsächlich… Liebe“) ist darin als General der Infanterie Friedrich Olbricht zu sehen.
Den Anwohnern der Stadt Beelitz ist dieser Filmdreh sicher in Erinnerung geblieben, denn Tom Cruise ließ sich für den Dreh um 6 Uhr morgens mit einem Hubschrauber einfliegen.
2011 übernahm das Männersanatorium die Rolle eines brasilianischen Tanzlokals in Paris. Für den Film „Street Dance 2“ wurde der ehemalige Speisesaal neu gestrichen und mit einer Bar ausgestattet. Der Eingangsbereich des Badehauses diente als Location für das Pariser Hotel.
Oscarpreisträger Pepe Danquart verfilmte 2012 den Roman „Lauf, Junge, lauf“ von Uri Orlev. Das Drama erzählt die Geschichte eines jüdischen Kindes, welches während des zweiten Weltkriegs vor den Nationalsozialisten flieht. Etwa 20 Filmminuten lang kommt die Hauptfigur in einem polnischen Krankenhaus unter. Diese Szenen entstanden im Badehaus und in der alten Wäscherei. Direkt im Anschluss nutzte das ZDF die Westseite des Geländes und drehte dort zwei Szenen für den Fernsehfilm „Das Adlon – Eine Familiensaga“.
Auch für Musikvideos sind die Heilstätten immer wieder eine beliebte Location. So gastierten hier unter anderem Mandy Capristo mit „The Way I Like It“, Freiwild mit „Hab keine Angst“, Acira mit „Die Suche nach Dir“, Silly mit „Alles rot“, oder Saltatio Martis mit „Wo sind die Clowns?“.
Das wohl bekannteste Musikvideo entstand jedoch 2013 unter der Leitung von Regisseur Zoran Bihac. Dieser nutzte die verlassene Anlage für das düstere Video zu „Mein Herz brennt“ der Band Rammstein. Das mit 34 Minuten längste Musikvideo wurde hier unter der Regie von Ralf Schmerberg im Frühjahr 2014 gedreht: Der Musikclip zu Meret Beckers „Seven Deaths of a Bird“. Eine Originalrequisite, ein altes Piano, überließ das Filmteam der Heilstätte und ist heute ein Blickfang und beliebtes Fotomotiv im Foyer des Badehauses.
Ebenfalls 2014 kam Kult-Regisseur Thomas Anders Jensen („Adams Äpfel“, „Dänische Delikatessen“) nach Beelitz und drehte hier sein skurriles Werk namens „Men and Chicken“. Die Dramakomödie spielt in einem verwitterten Sanatorium auf der erfundenen dänischen Insel Ork. Gabriel (gespielt von Mads Mikkelsen) besucht diese Insel um seinen Vater zu finden, trifft dort aber nur auf seine Brüder und erschreckende Geheimnisse.
Um das ruinöse Sanatorium noch unheimlicher und verwahrloster wirken zu lassen, wurden im Außenbereich alte Fahrzeugkarosserien und rostige Fischerbote aufgestellt. Zusätzlich ließ man Hühner, Ziegen und Schafe frei auf dem Gelände und in den Gebäuden herumlaufen. Während der Dreharbeiten wohnte das Filmteam auf dem benachbarten Bundeswehrstützpunkt.
Im Frühjahr 2015 suchte US-Regisseur Gore Verbinski in Europa nach geeigneten Drehorten für seinen Horror-Thriller „A Cure for Wellness“. Es schwebte ihm ein Krankenhaus in historischem Baustil vor, welches später im Film eine Kurklinik darstellen sollte. Bei seiner Tour durch verschiedene europäische Filmstudios passierte er unter anderem das Studio Babelsberg, dessen Location Scout eine Führung durch die Heilstätten in Beelitz organisierte. Nur wenige Tage später entschied sich Verbinski schließlich, den Film in Deutschland zu drehen.
Unter strenger Überwachung des Denkmalschutzamtes ließ das Studio Babelsberg in Folge große Teile des Sanatoriums, insbesondere das Badehaus, für den Film renovieren und teilweise in den Originalzustand von 1910 zurückversetzen.
Insgesamt 1000 Kubikmeter Schutt wurde entsorgt, 350 Fenster ausgetauscht und über 200 Zimmer und Behandlungsräume, sowie alle Flure, verputzt und gestrichen. Gärtner verschönerten den Außenbereich, zwei Dächer würden neu gedeckt und vor dem Badehaus errichtete man eine große Außenterrasse sowie einige Zwischenwände im Turnsaal des Obergeschosses.
Aus den verfallenen Räumen der Heilstätten wurde binnen weniger Monate „Dr. Volmers Kurklinik“ in den Schweizer Alpen. Die Dreharbeiten für „A Cure for Wellness“ wurden nach etwa 3,5 Monaten abgeschlossen, etwa 80 Prozent des finalen Filmes entstanden in Beelitz. Hier und da erkennt man heute noch einige Überbleibsel des Sets.
Besichtigung:
Wir haben die oben genannten Drehorte in den Beelitzer Heilstätten im Rahmen einer Fotobase von go2know besucht. Da die Gebäude saniert werden, wird diese jedoch voraussichtlich nur noch 2020 angeboten: Die letzten Termine für die Fotobase.
Der nördliche Teil des Geländes ist seit 2014 für die Öffentlichkeit zugänglich und kann zum Beispiel von einem „Baumkronenpfad“ aus besichtigt werden.
Achtung! Von einer Erkundung ohne Anmeldung raten wir strengstens ab! Außerhalb der Touren wird das Gelände von einem Wachschutz kontrolliert und Hausfriedensbrüche werden sofort zur Anzeige gebracht.
Anreise:
Die Beelitz-Heilstätten sind gut mit dem Auto erreichbar, da sie direkt an der A9 liegen. Es gibt jedoch auch eine Bahnverbindung zur Haltestelle „Beelitz-Heilstätten“, welche man in etwa 45 Minuten von Berlin aus erreicht.
Übernachtung:
Hotels in Beelitz
Campingplatz ICANOS am Seddiner See (z.B. Übernachtung im Campingfass)
Buchtipp: Beelitz-Heilstätten
In den Beelitz-Heilstätten gedrehte Filme:
A Cure For Wellness (Alle Drehorte)
Men & Chicken
Lauf Junge lauf
Das Adlon. Eine Familiensaga
Operation Walküre
Der Pianist
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