Es gibt da eine Stadt, in der kann man als Setjetter gar nicht oft genug sein: London! Und so versuche ich der Metropole an der Themse mindestens einmal im Jahr einen Besuch abzustatten. Dieses Jahr habe ich mich jedoch einmal aufgemacht nicht nur London, sondern – bei einem zweiwöchigen Roadtrip – vor allem auch den Süden Englands durch die Filmbrille zu erkunden.
Wer jetzt an die Kultautorinnen Agatha Christie oder Rosamunde Pilcher denkt, liegt natürlich richtig. Doch habe ich in den südlichen Grafschaften noch weitaus mehr wundervolle Schauplätze sowohl romantischer als auch düsterer Filmgeschichten entdeckt.
Nur etwa 40 Minuten vom Flughafen London Heathrow in Richtung Süden dauert es zu meinem ersten Filmziel. Es ist Shere, ein kleines verträumtes Dorf in Surrey, das als Kulisse für den Weihnachtsklassiker „Liebe braucht keine Ferien“ (The Holiday) diente. Drehort war beispielsweise das gemütliche White Horse Pub, in dem man auch hervorragend essen kann. Dort komme ich mit vier Touristinnen aus Australien ins Gespräch. Sie sind ebenfalls wegen des Filmes hier und bitten mich ganz aufgeregt, sie unter dem Filmbild an der Wand zu fotografieren. Natürlich lasse ich mich dort auch gleich knipsen.
Die hübsche Dorfkirche St. James, an der Cameron Diaz als Amanda Woods ihren schweren Koffer vorbeizieht, ist übrigens die gleiche, in der „Bridget Jones“ am Ende des zweiten Filmes mit Mark Darcy (Colin Firth) das erneute Eheversprechen ihrer Eltern feiert. Shere, unter anderem auch Drehort für „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“ und „Wedding Date“, ist ein wirklich zauberhafter Ort, in dem es sehr entspannt zugeht.
„Warum nicht hierher ziehen? In ein kleines Cottage?“, überlege ich einen Moment. Ein Blick auf die Immobilienangebote im Schaufenster der Bank gibt mir jedoch die ernüchternde Antwort. Wie ich sehe, gehört Shere nicht nur zu den schönsten, sondern auch zu den teuersten Orten Englands.
Das Rosehill Cottage, in dem Amanda ihr Winterdomizil findet und schließlich auf Graham (Jude Law) trifft, sucht man hier leider vergeblich. Es wurde als Kulisse aus Glasfaser eigens für den Film auf- und nach den Dreharbeiten wieder abgebaut. Weitere Dorfszenen entstanden jedoch in Godalming, das nur einen Katzensprung von Shere entfernt ist. Im Film ist auch der charmante Bahnhof der Kleinstadt bei der Ankunft Amandas zu sehen. Und ein bekannter Schauspieler stammt von hier: Sam Worthington, der in „Avatar“ als Jake Sully zu sehen war.
Als begeisterte Anhängerin der Serie „Downton Abbey“ geht es für mich weiter zum Highclere Castle in der Nähe von Newbury. Nicht nur die Außenkulisse und die Gärten des Anwesens waren Drehort, sondern z.B. auch die Bibliothek, der Speisesaal und der Salon. Eine Führung durch das Haus lohnt sich also in jedem Fall. Außerdem empfehle ich hier den Besuch der Ägyptischen Ausstellung in den Kellerräumen sowie einen herrlichen Afternoon Tea mit Scones und Clotted Cream im Schlosscafé. Im Shop findet man viele Mitbringsel für daheimgebliebene Lord- und Ladyships. Das Schloss war im Übrigen auch schon in Stanley Kubricks „Eyes Wide Shut” zu sehen.
Wer „Downton Abbey“ mag, sollte unbedingt noch einen Abstecher nach Bampton in die Cotswolds in Oxfordshire einplanen. Entlang der Straße Church View entdeckt man hier sehr viele Ecken aus dem fiktiven Downton wieder. Für den besten Überblick holt man sich im Community Archive eine Movie Map für 50 Pence. Ich habe Glück und bekomme noch etwas von den Dreharbeiten zur sechsten Staffel dort mit. Es scheint, als wurde gerade eine Friedhofsszene gedreht.
Ein Tourist aus Deutschland spricht mich an, ob ich nicht Schauspielerin sei? Ich fühle mich geschmeichelt, gebe mich aber als gewöhnliche Filmtouristin ohne eigene Filmografie zu erkennen. Auf dem Friedhof in Bampton rächt sich, dass ich noch nicht alle Staffeln von „Downton Abbey“ gesehen habe, denn die Filmgräber, die ich dort entdeckt habe, verraten mehr über die Handlung als mir lieb ist…
Downton-Abbey-Fans bitte hier lang
Newbury eignet sich zudem als idealer Ausgangspunkt um eine der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Englands zu besichtigen: Stonehenge! Der rund 4.500 Jahre alte Steinkreis ist bei seiner ohnehin schon großen Berühmtheit natürlich nicht auf Filmrollen angewiesen. Der Vollständigkeit halber seien hier trotzdem ein paar Produktionen genannt, in der das Bauwerk als Original oder als Mini-Replik zu sehen ist: „Die Jungs von Spinal Tap“, „Thor – The Dark Kingdom“ und auch „Doctor Who„. Stonehenge hat auf mich trotz der Menge an Besuchern eine mysteriöse Wirkung. Wie hat man diese Steinkolosse vor so langer Zeit nur hierher transportiert?
Einen weiteren beeindruckenden Steinkreis, den man sogar ohne Eintritt und Touristenandrang erleben kann, finde ich im nahegelegenen Avebury.
Wer wie ich den dicken Schmöker „Die Säulen der Erde“ von Ken Follett gelesen oder dessen Verfilmung gesehen hat, kommt an einem Besuch der Kathedrale von Salisbury kaum herum. Ihre Geschichte gilt als Vorlage für den Roman, der im fiktiven Ort Kingsbridge spielt. Hier findet man die am besten erhaltene Originalschrift der Magna Carta, auf der die heutigen Menschenrechte und Verfassungen vieler demokratischer Nationen beruhen.
Auch hier komme ich aus dem Staunen kaum heraus: ein gewaltiger Kreuzgang, die älteste noch funktionierende mechanische Uhr und die mit 123 Metern höchste Turmspitze von ganz Großbritannien. Im Inneren sieht man, dass sich die Säulen durch das Gewicht des Turmes verbogen haben. Der Eintrittspreis für die Kathedrale ist freiwillig und unterstützt die Erhaltung des riesigen Bauwerks.
Im Cathedral Close, gleich schräg gegenüber der Kathedrale, befindet sich ein Backsteingebäude mit Namen Mompesson House. Es war im Film „Sinn und Sinnlichkeit“ mit Emma Thompson und Kate Winslet als Stadtresidenz von Mrs. Jennings zu sehen. Zum 20-jährigen Jubiläum des Oscar-prämierten Filmes gibt es dort eine Ausstellung mit Originalkostümen aus dem Film. Außerdem werden Parallelen der echten Portman Geschwister aus dem Mompesson House mit der Romanvorlage von Jane Austen aufgezeigt.
Von der Grafschaft Wiltshire geht es über Somerset weiter nach Devon in den Dartmoor Nationalpark. Das Dartmoor habe ich mir immer düster und gespenstisch vorgestellt. Kein Wunder, wenn man an die Edgar-Wallace-Filme sowie die Geschichten vom „Hund von Baskerville“ oder „Silver Blaze“ mit den Figuren Sherlock Holmes und Dr. Watson denkt. Nun ja, die gewaltigen Granitfelsen auf den Bergen, die hier Tors genannt werden, können einen schon etwas einschüchtern.
Ansonsten erlebe ich hier nur freundliche Menschen und idyllische Dörfer. Meine Highlights sind eine kleine Wanderung zum Haytor sowie ein kulinarischer Stopp im Old Inn im Örtchen Widecombe-in-the-Moor.
Agatha-Christie-Fans sollten von hier aus weiter Richtung Torquay fahren. In dem Küstenstädtchen an der „Englischen Riviera“ wurde die weltberühmte Schriftstellerin 1890 geboren und das Museum in der Babbacombe Road zeigt eine umfangreiche Agatha Christie Gallery, die auch Requisiten, Kostüme und Sets aus den Filmen beinhaltet. Hier erfährt man alles über das Leben und Wirken der „Queen of Crime“.
Das Grand Hotel, in dem Agatha Christie am 24. Dezember 1914 ihre Hochzeitnacht verbrachte, befindet sich an der Sea Front und verfügt noch heute über eine Suite mit ihrem Namen. Nahe der Strandpromenade hinter dem Riesenrad hat man ihr zu Ehren eine steinerne Büste aufgestellt. Wer noch einen persönlicheren Eindruck der Krimiautorin bekommen möchte, sollte der Sommerresidenz „Greenway“ bei Galmpton einen Besuch abstatten.
Über Plymouth führt es mich ins bezaubernde Cornwall. Ja, hier ist es kitschig schön wie in einem Rosamunde-Pilcher-Film! Und ich beneide jeden Schauspieler, der hier regelmäßig drehen darf. Auch wer kein Fan der Filme ist, sollte einige der Drehorte ins Programm nehmen oder wird sich ohnehin dort wiederfinden: am Prideaux Place in Padstow, am Fistral Beach im Surfer-Hotspot Newquay oder im romantischen St. Ives, das in den Büchern besser als „Porthkerris“ bekannt ist. Rosamunde-Pilcher-Fans finden hier weitere Infos.
Auf dem Weg zum King Arthur’s Castle in Tintagel komme ich durch Zufall in das Fischerdorf Port Isaac, Schauplatz der skurrilen Komödie „Grasgeflüster“, in der sich Witwe Grace (Brenda Blethyn) mit einer äußerst gewagten Geschäftsidee über Wasser halten möchte.
Doch im Ort treffe ich zu meiner Überraschung auf ganz andere Filmtouristen: Sie kennen Port Isaac als fiktives Portwenn aus der Serie „Doc Martin“. Die Serie, die leider nur in UK läuft, scheint jedoch zumindest bei der Hauptfigur Dr. Martin Ellingham an den Film anzulehnen. Der Schauspieler Martin Clunes war jedenfalls auch schon in „Grasgeflüster“ als Dr. Martin Bamford zu sehen. Aber damit genug der Verwirrung…
Natürlich besuche ich in Cornwall auch das Land’s End, den westlichsten Punkt der Hauptinsel Großbritanniens. Was ich dort entdecke, jedoch am wenigsten erwartet habe: Filmkulissen und Hintergründiges zum Kinofilm „Shaun das Schaf“. Denn zusätzlich zum Blick auf Leuchtturm, Klippen und die Scilly-Inseln gibt es dort einen kleinen Freizeitpark, in dem es neben 4D-Attraktionen und Imbissständen auch die interaktive „Shaun the Sheep Experience“ gibt. Vor allem für Kinder ist es natürlich ein großer Spaß. Um einiges ruhiger geht es dagegen am Lizard Point, dem südlichsten Punkt Englands, zu.
Unweit des Lizard Points befindet sich das Fischerörtchen Cadgwith mit seinen reetgedeckten Häuschen, kleinen Gässchen und dem typischen kornischen Charme. Hier wurden einige Szenen für den Film „Der Duft von Lavendel“ gedreht. Die Bucht, in der Daniel Brühl als polnischer Konzertgeiger Andrea angespült wird und zwei ältere Schwestern (Maggie Smith und Judi Dench) sich seiner annehmen, ist das ehemalige Schmugglernest Prussia Cove.
Von dort ist es nur noch ein Katzensprung zum sehenswerten St. Michael’s Mount, der unter anderem als Drehort für die Agentenparodie „Johnny English“ mit dem als Mr. Bean bekannten Rowan Atkinson diente.
Apropos Agenten… sogar Bondfans kommen in Cornwall auf ihre Kosten. Das „Eden Project“ bei St. Austell, ein futuristischer Bau mit verschiedenen Pflanzenwelten, tritt als Filmkulisse in „James Bond – Stirb an einem anderen Tag“ in Erscheinung. Die lichtdurchlässigen Kuppeln wurden für den Film mit der isländischen Landschaft kombiniert und übernehmen im Film die Rolle von Graves‘ Eispalast.
Ganz Mutige können wie Pierce Brosnan an der Außenhülle der Kuppel hinabklettern oder sich an einem Seil über die komplette Anlage gleiten lassen. Für mich bietet die Dinosaurier-Attraktion allerdings schon genug Nervenkitzel.
Bevor ich Cornwall wieder verlasse, fahre ich von St. Austell aus die kurvige Straße der Roseland Heritage Coast entlang. Eine Naturschönheit, die mancher auch aus der romantischen Komödie „Alles eine Frage der Zeit“ mit den Zeitreisenden Bill Nighy und Domhnall Gleeson kennen dürfte. Zu den Drehorten an der Küste gehören Portloe, Vault Beach und das Porthpean House, das als Anwesen der Familie Lake diente.
Wer aus Richtung Falmouth kommt, nimmt am besten die „King Harry Ferry“ über den Fluss Fal, an dessen Ufern schon 1950 für die Verfilmung der „Schatzinsel“ gedreht wurde.
Next Stop: Dorset! Wann immer der englische Schriftsteller Thomas Hardy über die halbfiktionale Grafschaft Wessex schrieb, hatte er wohl Dorset vor Augen. Darum ist die mit Farmen übersäte grüne Hügellandschaft, in der der Autor selbst aufwuchs, heute ebenfalls als „Hardy-Land“ bekannt und auch die meisten Drehorte der neuesten Hardy-Verfilmung „Am grünen Rand der Welt“ mit Carey Mulligan befinden sich hier:
Das Mapperton House bei Beaminster als Bathsheba Everdeen’s Farm, die Forde Abbey, in der sie ihr Getreide anbietet, und die Küste von Eype, wo Gabriel Oaks (Matthias Schoenaerts) Schafe ihr unglückliches Ende finden. Die Schafsweide ist etwas versteckt und ich kann sie erst nach einstündiger Suche ausfindig machen. Tipp: Von Higher Eype aus führt ein kleiner Wanderweg mit Wegweiser „Coast Path“ dort hin. Eype bedeutet übrigens völlig zu Recht „steiler Ort“.
Nur einen Ort weiter der Jurassic Coast entlang tut sich schon die nächste Filmkulisse auf. West Bay ist der Schauplatz der britischen Krimiserie „Broadchurch“, in der ein Mord eine ganze Kleinstadt auf den Kopf stellt. Wie erwartet geht es hier jedoch bis auf ein traditionelles Bootsrennen recht friedlich zu. Vom East Beach aus blickt man auf die steilen, golden schimmernden Klippen. Ich versuche mir vorzustellen, dass hier, wie in der Serie, eine Leiche gefunden wird, was mir aufgrund der entspannten Stimmung am Strand aber überhaupt nicht gelingen mag.
Nach einem Übernachtungsstopp auf der Isle of Weight ist Brighton das vorletzte Ziel meines Südengland-Roadtrips. Zu den Highlights der Küstenstadt gehört der Brighton Pier, sozusagen ein Jahrmarkt auf Stegen, auf dem man lecker essen und mit lustigen Fahrgeschäften fahren kann. Ein Schild weist auf seine Filmgeschichte hin, zu der zum Beispiel der 1979er-Film „Quadrophenia“ mit Musik von The Who und Sting gehört. Doch der Pier ist nicht nur in Filmen, sondern auch zahlreichen Musikvideos und Werbespots zu sehen.
Zum Abschluss der Reise zieht es mich nach Eastbourne, sowie zum 162 Meter hohen Kreidefelsen Beachy Head und den daran anschließenden Seven Sisters. Die weißen Klippen sind ebenfalls in „Quadrophenia“ aber auch in „Robin Hood – König der Diebe“ bei Robins (Kevin Costner) Rückkehr über den Ärmelkanal nach England zu sehen. Es ist eine großartige Gegend für kleine Wanderungen, dem Klippenrand sollte man sich jedoch nur liegend nähern, da dieser nicht gesichert ist.
Den schönsten Blick auf die Seven Sisters hat man meiner Meinung nach von Seaford Head aus. Diesen sauge ich tief in mir auf, bevor es schließlich mit dem Mietwagen zurück nach London und dann mit dem Flieger wieder nach Hause geht.
Du kennst noch weitere Drehorte in Südengland? Dann hinterlasse hier gerne einen Kommentar.
Linktipps:
Highclere Castle – The Real Downton Abbey
Salisbury Cathedral
Agatha Christie Gallery, Torquay Museum
Prideaux Place, Padstow
Eden Project, St. Austell
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Offenlegung: Diese Recherchereise wurde teilweise durch Visit Britain unterstützt.