Comic Cons? Die kannte ich bisher nur aus der Serie „The Big Bang Theory„, in der sich Sheldon & Co. für die großen Events in San Diego oder Bakersfield in ihre Star-Trek-Kostüme werfen. Es geht wohl vor allem darum, in eine Fantasiewelt einzutauchen – was Filmtouristen in gewisser Weise ja auch tun. Doch was genau passiert auf solchen Conventions? Was wird dort geboten? Und für wen lohnt sich eigentlich ein Besuch? Mitte Oktober habe ich die Chance genutzt und mich auf der German Comic Con umgesehen. So wurde Berlins erste Comic Con auch zu meiner Premiere. Hier erfährst Du von meinen Eindrücken:
Bereits in der Warteschlange vor dem Eingang der Messe Süd stechen sie mir ins Auge: die Cosplayer! So nennt man die lebendigen Action- und Zeichenfiguren, die man aus Filmen, Serien, Videospielen oder natürlich Comics kennt. Der Verkleidungstrend schwappte in den 90er Jahren mit dem Manga- und Animeboom aus Japan in die USA und nach Europa. Der Begriff setzt sich aus „costume“ und „play“ zusammen (=Kostümspiel). Die Verkleidungen sind super aufwändig genäht oder gebastelt. Ich sehe ein Krümelmonster und Captain America, Luke Skywalker und Arya Stark, Rick Grimes und Sarah Connor, Harley Quinn und Batman. Sie alle warten mit mir und ein paar Hundert anderen bis sich um 10 Uhr die Türen öffnen.
Auch in den Messehallen fühle ich mich ein wenig wie auf einem Superhelden-Kongress. Gerade habe ich noch mit „Deadpool“ geplaudert, da befinde ich mich schon mitten unter den „Ghostbusters„. Einige Cosplayer freuen sich riesig, wenn man ein Bild von ihnen macht, andere wollen lieber in Ruhe gelassen werden. Manche setzen ihre gelungene Verwandlung auch für einen guten Zweck ein. So verlangt ein täuschend echt aussehendes Spock-Double, auch als Spock Vegas bekannt, € 3 für ein gemeinsames Selfie und dem Vulkanischem Gruß: „Live long and prosper!“ Das Geld fließt bei ihm in eine Epilepsie-Stiftung. Bevor man ein Foto schießt sollte man also auf jeden Fall erst fragen. Und auch auf Plakaten ist hier zu lesen: Cosplayer sind kein Freiwild!
Neben den Verwandlungskünstlern sind auch jede Menge Stars auf der Comic Con, mit denen man sich gegen Bezahlung fotografieren lassen kann oder ein Autogramm bekommt. In Berlin sind das Christopher Lloyd alias Doc Brown aus „Zurück in die Zukunft„, Chad L. Coleman aus „The Walking Dead„, Christopher Lambert aus „Highlander„, Robert Englund alias Freddy Krueger in „Nightmare“ (die Warteschlange für ein Autogramm von ihm ist riesig!), Natalia Tena aus „Harry Potter“ & „Game of Thrones“ und noch viele weitere. Manche von ihnen erkennt man erst auf den zweiten oder dritten Blick. Amanda Bearse entpuppt sich als spießige Nachbarin Marcy Darcy aus „Eine schrecklich nette Familie“ und Ken Colley ging es nicht nur als Admiral Piett in „Star Wars“ an den Kragen, sondern auch als Jesus im Monty-Phyton-Klassiker „Das Leben des Brian„.
Während ein Auftritt auf der Comic Con in San Diego für viele Schauspieler Bestandteil ihrer Verträge ist, müssen andere Veranstaltungen die Gage und Reisekosten der Stars übernehmen und über verkaufte Autogramme und Phototickets refinanzieren. In Berlin reicht die Preisspanne dafür von € 10 bis € 80. Ich denke, die Schmerzgrenze bei den Preisen ist bei jedem unterschiedlich und eben stark abhängig davon, ob man ein großer Fan ist. Als absoluter „Zurück in die Zukunft„-Fan – die Filme habe ich schon Dutzende Male gesehen – nutze ich die kostspielige, jedoch vermutlich einmalige Chance ein Foto mit „Doc Brown“ zu bekommen. Da ich beim ersten Versuch die Augen geschlossen habe, darf ich noch eine zweite Runde drehen. Das Foto gibt es sofort nach der Aufnahme ausgedruckt in die Hand.
Für alle, die kein zusätzliches Geld für Fotos ausgeben, jedoch auch nicht ganz ohne nach Hause gehen möchten, gibt es diverse kostenfreie Photopoints wie etwa den DeLorean aus „Zurück in die Zukunft„, den K.I.T.T. aus „Knight Rider“ oder auch eine Green Screen Wand, anhand der man sich in eine „The Walking Dead„-Szene hineinmontieren lassen kann. Fox promotet hier den aktuellen Staffelstart und stellt die Bilder auf seiner Facebook-Seite zur Verfügung. „Kämpfen oder Sterben?“, fragt mich der Fotograf nach der Motivwahl. „Äh, Kämpfen natürlich!“ sage ich und bekomme Anweisungen zur Pose. Nicht schlecht staune ich, als sich nach mir eine Familie mit Kinderwagen und Babytrage in Kämpferpose wirft…
Auch wenn die Zeichner heutzutage nicht mehr alleine im Mittelpunkt der Comic Cons stehen, gehören sie immer noch zum Kern der Veranstaltung. So kann man den Comicartists bei der Arbeit über die Schulter blicken oder sich ein Wunschmotiv zeichnen lassen. Auf der Comics & More Stage gibt es Sessions zu Themen wie „Die Kunst der lustigen Comics“ oder „Wie werde ich in Deutschland Manga-Zeichnerin?“. An den Verlagsständen werden die neuesten Comics präsentiert. In derselben Halle reihen sich riesige Verkaufsstände mit allen nur erdenklichen Fan-Souvenirs. Etwas aus der Reihe tanzt da der Stand mit den japanischen Süßigkeiten.
Auf der Main Stage besteht noch mal die Möglichkeit mit den Stars in Kontakt zu kommen und ihnen seine persönlichen Fragen zu stellen. Chad L. Coleman erzählt hier, dass auch die Kinderdarsteller viel Spaß beim Dreh von „The Walking Dead“ hatten, Amanda Bearse verrät einige Anekdoten aus ihrer „Al Bundy“-Zeit und Christopher Lloyd möchte auch mit bald 80 Jahren noch nicht an Rente denken, könnte sich bei guter Skriptidee sogar einen vierten Teil von „Zurück in die Zukunft“ vorstellen.
Nach beinahe fünf Stunden auf der Comic Con setzt bei mir neben der Faszination auch einige gewisse Überforderung ein, sowie die Einsicht nicht alles erfassen zu können.
Mein Fazit:
Comic Cons sind nicht nur was für Cosplayer, Comic- und Manga-Fans, sondern eigentlich für alle, die etwas mit Popkultur anfangen können und im besten Fall auch Spaß an deren Kommerzialisierung haben. Man kann die Stars live erleben, den Künstlern bei der Arbeit zusehen, sich dem Merchandising-Wahnsinn hingeben oder einfach seine Freude am Fansein rauslassen und sich mit anderen dazu austauschen.
Ich konnte zwar nicht mit allen Ständen und Themen etwas anfangen, war jedoch total begeistert von der Atmosphäre. Das war sicher nicht meine letzte Comic Con und vielleicht schaffe ich es ja sogar mal nach San Diego oder Bakersfield. Dann natürlich im Kostüm. Versprochen!
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