© Julia Terjung / Netflix

Auf den Spuren von Netflix’ „Dark“

„Im Sturz durch Zeit und Raum, erwacht aus einem Traum“, klingt Nenas Stimme am Ende der ersten Episode von „Dark“ aus einem TV-Gerät. Die gleichen Zeilen gehen mir durch den Kopf als wir über die ungeteerte Straße langsam auf das kleine purpurrote Haus zusteuern. Es wirkt auf mich wie völlig aus der Zeit gefallen.

Müsste ich alleine mit Blick auf diesen Drehort ausmachen, in welchem Jahr wir uns befinden, meine Antwort wäre wohl äußerst schwammig. Ein Setting wie gemacht also für eine Zeitreise-Serie, wie sie Showrunner Baran bo Odar und Jantje Friese mit dem ersten deutschen Netflix Original „Dark“ geschaffen haben.

 

„Dark“ Drehort, Wohnhaus der Familie Kahnwald, Brandenburg © Andrea David

 

Die Serie ist dabei weit mehr als ein düsteres „Zurück in die Zukunft“. Die Verflechtungen der zahlreichen Figuren über mehrere Zeitachsen verlangen dem Zuschauer einiges an Aufmerksamkeit und Erinnerungsvermögen ab. Die Story belohnt ihn dafür mit Gänsehaut bringenden Aha-Momenten und immer tieferen Einblicken in die dunklen Geheimnisse aller Beteiligten, deren Tragweite schwer zu fassen scheint.

 

„Der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist nur eine Illusion, wenn auch eine hartnäckige…“ Albert Einstein

 

Zur beeindruckenden „Dark“-Besetzung gehören unter anderem Louis Hofmann, Lisa Vicari, Oliver Masucci, Maja Schöne und Andreas Pietschmann. Den elektrisierenden Sound der Serie lieferte der Australier Ben Frost, der auch schon die isländische Serie „Fortitude“ musikalisch untermalte.

 

Wo liegt eigentlich Winden?

Für die Geschichte spielt es tatsächlich überhaupt keine Rolle, wo genau in Deutschland die fiktive Kleinstadt Winden, in der immer mehr Unerklärliches passiert, verortet ist und so verzichten auch die Macher auf geografische Angaben. Die einzelnen Drehorte, die sich alle in Berlin sowie im angrenzenden Brandenburg befinden, übernehmen jedoch für die mystisch aufgeladene Atmosphäre von „Dark“ eine umso wichtigere Rolle. Aus unterschiedlichsten Orten, die bis zu 80 Kilometer voneinander entfernt liegen, setzt sich so der Kosmos von Winden zusammen, in dem die Figuren geradezu gefangen zu sein scheinen.

 

„Dark“ Drehort, Wohnhaus der Familie Kahnwald, Brandenburg © Andrea David

 

Und damit zurück zum purpurroten Haus am nördlichen Rand von Berlin: In der Serie ist es das Zuhause der Familie Kahnwald und somit auch der Hauptfigur Jonas (Louis Hofmann). Bei gleich zwei emotionalen Szenen der ersten Staffel stehen die Hauptfiguren vom Regen durchnässt vor dem Haus – ja, es regnet häufig in „Dark“! Einmal ist es Jonas‘ Mutter Hannah (Maja Schöne), die von Ulrich (Oliver Masucci) stehen gelassen wird, und einmal Jonas selbst, der in einer herzzerreißenden Schlüsselszene von der enttäuschten Martha (Lisa Vicari) zur Rede gestellt wird, jedoch unmöglich preisgeben kann, warum ihre Liebe falsch ist. In dieser Aufnahme mit dem Kuss im Regen verdichtet sich sozusagen die ganze Tragik, die Jonas‘ Figur umgibt.

 

"Dark"-Szene mit Louis Hofmann und Lisa Vicari, Brandenburg
„Dark“-Szene mit Louis Hofmann und Lisa Vicari, Brandenburg © Andrea David / Netflix
„Dark“-Szene mit Maja Schöne, Brandenburg © Andrea David / Stefan Erhard / Netflix

 

Die Erinnerung an diese Szene stimmt mich melancholisch. Gleich hinter dem Haus sehe ich die große Waldlichtung, auf der in „Dark“ die Hundestaffel nach dem vermissten Jungen sucht, ein Fremder (Andreas Pietschmann) mit einem Koffer ankommt und tote Tiere weitere Rätsel aufgeben. In Realität wirkt dieser Ort nicht so unheimlich, eher unheimlich friedlich. Hätte ich etwas mehr Zeit, würde ich jetzt durch den Wald spazieren, aus dem gerade ein quicklebendiges Reh springt.

 

„Dark“ Drehort in Brandenburg © Andrea David
„Dark“ Drehort in Brandenburg © Andrea David

 

Wie ich vom Besitzer erfahre, wurde das Haus bereits um 1930 erbaut, er selbst wohnt darin seit 2004. Der Zufall wollte es, dass genau ein Jahr, nachdem Netflix sich den Drehort gesichert hatte, ein Location Scout für die Thriller-Serie „You are wanted“ an die Tür klopfte. Nachdem dieser von der anstehenden Produktion erfuhr, schaute er sich anderweitig um. Der Besitzer selbst ist jedoch durchaus für weitere Filmproduktionen offen, kann sich Haus und Grundstück auch sehr gut als Schauplatz anderer Stoffe vorstellen. Zudem plant er nach Ende der Dreharbeiten, das Dach neu zu decken und die alten Ziegel, genau 2019 Stück, an „Dark“-Fans zu verkaufen. Besucher möchte er lieber keine, weshalb ich den genauen Standort nicht weitergebe. Für eine ausgiebige „Dark“-Tour bieten sich jedoch viele weitere Drehorte an:

 

Die „Dark“-Drehorte in Berlin und Brandenburg

Wie mir Regisseur Baran bo Odar schon beim „Making of Netflix‘ Dark“ während der Berlinale 2018 verriet, gibt es den geheimnisvollen Höhleneingang im Wald leider nicht wirklich, sondern ist eine reine Filmkulisse, die man im Saarmunder Wald für den Dreh in einer Senke aufbaute. Man hätte natürlich gerne eine echte Höhle im Harz dafür gewählt, aber dann wären die Produktionskosten mit Übernachtungsausgaben für die Main Crew deutlich höher gewesen. Nur ein paar Innenaufnahmen entstanden mit einem kleinen Teil der Filmteams in der Einhornhöhle bei Scharzfeld, der größten Besucherhöhle im Westteil des Harzes. In der gleichen Höhle wurde übrigens „Tom Sawyer“ (2011) mit dem damals 13-jährigen Louis Hofmann gedreht.

 

„Dark” Höhle im Saarmunder Wald, Brandenburg
„Dark” Höhle im Saarmunder Wald, Brandenburg © Andrea David

 

Bei meiner Suche nach dem Höhleneingang auf dem Fontane-Wanderweg zwischen Saarmund und Tremsdorf habe ich schließlich Glück: Die Dreharbeiten sind bereits abgeschlossen, die Höhlenkonstruktion jedoch noch nicht abgebaut! Und obwohl ich weiß, dass es sich dabei nur um eine temporäre Kulisse handelt, wirkt sie in diesem Moment sehr echt auf mich, unheimlich und geheimnisvoll. Als könnte jeden Moment jemand herauskommen und fragen, welches Jahr wir eigentlich haben. (Update: Die Höhle wurde im Dezember 2019 wieder abgebaut.)

 

„Dark” Höhle im Saarmunder Wald, Brandenburg
„Dark” Höhle im Saarmunder Wald, Brandenburg © Andrea David / Netflix
„Dark” Drehort im Saarmunder Wald, Brandenburg
„Dark” Drehort im Saarmunder Wald, Brandenburg © Andrea David / Netflix
„Dark” Drehort im Saarmunder Wald, Brandenburg
„Dark” Drehort im Saarmunder Wald, Brandenburg © Andrea David / Netflix

 

Nicht weit davon entfernt steht die Hütte, die in „Dark“ der Familie Doppler gehört. Dort wurde auch der Eingang zum Bunker errichtet, den es in Wirklichkeit hier jedoch nicht gibt. Die Innenaufnahmen dafür entstanden im Studio.

Wichtiger Hinweis: Das Grundstück befindet sich im Privatbesitz und darf nicht betreten werden. (siehe auch Filmtourismus-Knigge)

 

„Dark” Drehort im Saarmunder Wald, Brandenburg
„Dark” Drehort im Saarmunder Wald, Brandenburg © Andrea David

 

Im Laufe der Serie ist immer wieder eine Holzkirche zu sehen, bei der es sich in Wahrheit um die Friedhofskapelle auf dem Südwestkirchhof Stahnsdorf handelt. Der weitläufige Waldfriedhof, der bereits vor hundert Jahren eröffnet wurde, bewegt sich in der Größenordnung des Pariser Père Lachaise oder des Wiener Zentralfriedhofs, ist jedoch im Gegensatz zu diesen für Besucher eher noch ein Geheimtipp. Jedenfalls kann man sich hier stundenlang aufhalten.

 

Südwestkirchhof Stahnsdorf, Brandenburg
Südwestkirchhof Stahnsdorf, Brandenburg © Andrea David
„Dark” Drehort am Südwestkirchhof Stahnsdorf, Brandenburg
„Dark” Drehort am Südwestkirchhof Stahnsdorf, Brandenburg © Andrea David / Stefan Erhard / Netflix
„Dark” Drehort am Südwestkirchhof Stahnsdorf, Brandenburg
„Dark” Drehort am Südwestkirchhof Stahnsdorf, Brandenburg © Andrea David / Stefan Erhard / Netflix

 

Bei Filmschaffenden ist der Südwestkirchhof allerdings schon seit Längerem bekannt: Im März 2009 drehte Roman Polański hier für „Der Ghostwriter“ mit Ewan McGregor die Szenen rund um Paul Emmetts Haus. Cate Blanchett trat hier als Trauerrednerin in einer Episode Julian Rosefeldts „Manifesto“ (2016) auf. Und für den Polit-Thriller „Der Fall Collini“ (2019) mit Elyas M’Barek filmte man hier die große Beerdigung. Übrigens befindet sich auf dem Friedhof auch das Grab von „Nosferatu“-Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau.

 

Grab von Regisseur Murnau, Südwestkirchhof Stahnsdorf, Brandenburg
Grab von Regisseur Murnau, Südwestkirchhof Stahnsdorf, Brandenburg © Andrea David

 

Früher gab es sogar eine Friedhofsbahn von Wannsee bis Stahnsdorf, die jedoch mit dem Mauerbau 1961 eingestellt wurde. Direkt an der Stadtgrenze, im Berliner Forst Düppel, findet man noch einen Teil der stillgelegten Gleise, über die die Brücke des Königsweges führt. Genau an dieser Stelle entstanden ebenfalls viele Szenen aus „Dark“. Bereits seit der Wiedervereinigung gibt es Überlegungen, die Linie der Stammbahn von Zehlendorf nach Griebnitzsee und Potsdam wieder in Betrieb zu nehmen.

 

Alte Bahnstrecke Wannsee-Stahnsdorf, Brandenburg
Alte Bahnstrecke Wannsee-Stahnsdorf, Brandenburg © Andrea David
Alte Bahnstrecke Wannsee-Stahnsdorf, Brandenburg
Alte Bahnstrecke Wannsee-Stahnsdorf, Brandenburg © Andrea David
Szene aus "Dark" an der alten Bahnstrecke Wannsee-Stahnsdorf, Brandenburg
Szene aus „Dark“ an der alten Bahnstrecke Wannsee-Stahnsdorf, Brandenburg © Andrea David / Netflix

 

Nicht weit davon entfernt befindet sich die ehemalige Raststätte Dreilinden, auf deren Parkplatz in der Serie der Wohnwagen steht. Hier befand sich einst der Grenzübergang Checkpoint Bravo und ein markanter, roter Pop-Art-Rundbau aus den Siebzigern, der unter Denkmalschutz steht, zeugt heute noch von der deutsch-deutschen Geschichte bzw. ihrer Teilung. Bis 1989 galt die Autobahnraststätte als wichtigstes Tor West-Berlins.

 

Turnhalle in der Kaserne Krampnitz, Potsdam
Turnhalle in der Kaserne Krampnitz, Potsdam © Matze Gebauer

 

Das passende Set für Winden nach der Apokalypse fand man zum großen Teil auf dem Gelände der Kaserne Krampnitz am nördlichen Stadtrand von Potsdam. Aktuell entstehen dort neue Wohnhäuser, so dass bereits ein paar Drehorte, wie die Turnhalle, in der Jonas in „Dark“ verzweifelt nach Nahrung sucht, weichen mussten. Einige Gebäude stehen jedoch unter Denkmalschutz. Dazu gehört das Offizierscasino, das Bernd Eichinger für die Eröffnungssequenz seines Horrorfilmes „Resident Evil” nutzte, und das in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds” als Landhaus bzw. Büro von Winston Churchill zu sehen war. Sonntags finden auf dem Gelände Führungen statt.

 

„Resident Evil“ Drehort, Raum der Pokale, Offizierscasino, Kaserne Krampnitz, Potsdam © Matze Gebauer

 

Das ehemalige Chemiewerk in Rüdersdorf diente in „Dark“ als Kulisse für das Atomkraftwerk in der apokalyptischen Zukunft. Das weitläufige Gelände wurde ebenfalls schon öfter für internationale Filmproduktionen gebucht, darunter „Monuments Men“ oder wie schon in Krampnitz „Inglourious Basterds“ und „Die Tribute von Panem“. Für die Agenten-Serie „Homeland“ wurde die Location in ein libanesisches Flüchtlingscamp umgestaltet, die Band Rammstein nutzte sie als Set für eine Mondlandung im Musikvideo zum Song „Amerika“. Der Ort darf nur nach vorheriger Genehmigung betreten werden, vom danebenliegenden Museumspark aus kann man jedoch einen Blick darauf werfen.

 

Ehemaliges Chemiewerk Rüdersdorf, Brandenburg
Ehemaliges Chemiewerk Rüdersdorf, Brandenburg © Matze Gebauer

 

Der geheimnisvolle Fremde (Andreas Pietschmann) checkt in Realität im Schlosshotel im Grunewald ein. Die Außenkulisse des Waldhotels Winden gehört jedoch dem Schloss Lanke bei Wandlitz, im Landkreis Barnim. Im geschichtsträchtigen Schloss, das auch für Til Schweigers „Head full of honey“ als Kulisse diente, können Gäste in einer der acht Ferienwohnungen mit historischem Mobiliar übernachten. Eine Zeitreise ist hier also auch ganz ohne Höhle möglich.

 

Szene aus „Dark” im Schlosshotel Grunewald mit Andreas Pietschmann © Netflix / Andrea David

 

Die Windener Stadtbibliothek besteht aus zwei unterschiedlichen Drehorten: Die Außenaufnahmen entstanden vor der Stadtbücherei in Königswusterhausen in Brandenburg. Der Lesesaal gehört zur Staatsbibliothek Unter den Linden in Berlin.

Bei der Windener Schule handelt es sich in Wahrheit um die Rheinfelder Schule in Charlottenburg-Wilmersdorf in Berlin. Als Außenkulisse für die Polizeistation diente die Akademie der Künste im Hanseatenweg 10, ebenfalls in Berlin.

 

„Dark“-Szene mit Louis Hofmann, Berlin-Charlottenburg © Andrea David / Netflix
„Dark“ Drehort, Berlin-Charlottenburg © Andrea David

 

Am Ende meiner Drehorttour bin ich mit einer Dauerschleife von Nenas Stimme im Kopf noch immer im „Dark“-Modus:
„Irgendwie fängt irgendwann irgendwo die Zukunft an…“
und, so hoffe ich, bald auch die dritte Staffel!

 

Weitere passende Motive für „Dark“ fand man in Wannsee, im Nuthetal, bei Zossen sowie in Sacrow und Kladow. Die Studioszenen wurden in den CCC-Studios in Haselhorst im Bezirk Spandau, sowie später auch im Studio Babelsberg gedreht.

 

Die dritte und letzte Staffel von „Dark“ läuft seit 27. Juni 2020 auf Netflix.

 

Interview-Tipp: Über Drehorte, die Schauspielerei und natürlich die Faszination an „Dark“ habe ich im Oktober 2018 mit Schauspieler Andreas Pietschmann gesprochen.

 

„Dark“ für Zuhause:
„Dark“ Soundtrack
„Dark“ T-Shirt
Close Up Poster

 

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Auf den Spuren von „Jerks“
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Die Beelitz-Heilstätten im Film
Am Set von „Heilstätten” am Grabowsee
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Weitere Drehorte im Harz:
Filmkulisse Harz – Von Märchen & Monumenten

 

Die Drehorte weiterer Netflix-Serien:
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